23.12.2022
Urlaubserinnerung bereits zu Jahresbeginn?
Am 20.12.2022 ergingen beim BAG gleich zwei das Arbeitsrecht ändernde Entscheidungen
In zwei Urteilen befasste sich das BAG mit dem Untergang des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und untermauerte die Bedeutung einer rechtzeitigen Unterrichtung von Arbeitnehmern über noch offenen Urlaub.
Sachverhalt
In einem Verfahren (9 AZR 245/19) machte der Arbeitnehmer seinen restlichen Urlaubsanspruch für das Jahr 2014 geltend. Er war von Dezember 2014 bis August 2019 aus gesundheitlichen Gründen verhindert, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Seine Arbeitgeberin belehrte ihn für das Jahr 2014 nicht über seinen konkreten Urlaubsanspruch und einen möglichen Verfall.
In dem weiteren Verfahren (9 AZR 266/20) machte eine Arbeitnehmerin nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ihren Urlaubsabgeltungsanspruch für mehrere Vorjahre geltend. Auch Ihre Arbeitgeberin hatte sie zuvor nicht betreffend der Inanspruchnahme ihres Urlaubs unterrichtet.
In beiden Verfahren war der Urlaubsanspruch, so das BAG, nicht verfallen.
Zum Inhalt der Entscheidungen
In beiden Urteilen ging es um den gesetzlichen Urlaubsanspruch. Für einen darüberhinausgehenden, arbeits- oder tarifvertraglichen Urlaubsanspruch können abweichenden Regelungen auch zum Verfall vereinbart werden. Gibt es solche nicht, gelten die des gesetzlichen Mindesturlaubs entsprechend.
Der EuGH (Rs. C-518/20; C-727/20) hatte schon konkretisiert, dass der gesetzliche Mindesturlaub am Jahresende nur dann verfällt, wenn der Arbeitnehmer in die Lage versetzt wurde, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitgeber muss zur Beantragung des Urlaubs auffordern und über den konkreten Umfang und den möglichen Verfall des Urlaubs informieren. Das BAG setzte die EuGH-Entscheidung um und urteilte, dass Urlaub dann nicht verfällt, wenn ein Arbeitnehmer in dem Urlaubsjahr vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit noch gearbeitet hat. Der Urlaubsanspruch erlischt in diesem Fall nur, wenn der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nachgekommen ist. War der Arbeitnehmer aber das ganze Urlaubsjahr arbeitsunfähig, verfällt der Urlaub auch ohne Belehrung mit Ablauf des 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres.
Zudem legte das BAG die Regelung zur Verjährung europarechtskonform aus, sodass auch die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren für den Urlaubsanspruch erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem die Belehrung über den Urlaubsanspruch erfolgte.
Handlungsbedarf
Die Urteile zeigen, dass ohne Belehrung des Arbeitgebers über noch offenen Urlaub dieser „auf ewig“ angesammelt werden kann.
Aber die Rechtsprechung führt auch dazu, dass eine solche Belehrung bereits zu Jahresbeginn erforderlich wird und damit praktisch alle Arbeitnehmer des Unternehmens umfasst. Nur dann erfolgt die Belehrung auch gegenüber im Laufe des Jahres Langzeiterkrankten rechtszeitig im Sinne der Rechtsprechung. Hierbei ist auch zu beachten, dass die Belehrung jeweils individuell sein muss. Inwieweit eine Belehrung zu Beginn des Jahres praxisnah ist, wird sich zeigen.
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Meike Schmidt
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