19.12.2023
Kündigung und dann krank?
Das BAG stärkt mit Urteil vom 13.12.2023 (Az. 5 AZR 137/23) Arbeitgeberrechte gegenüber Beschäftigten, die sich im Zusammenhang mit einer Kündigung krankmelden
Sachverhalt
In dem zugrundeliegenden Verfahren legte der Arbeitnehmer zunächst eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum von rund einer Woche vor. Am zweiten Tag dieser Krankschreibung ging ihm eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Monatsende zu. Kurz danach legte er eine und später eine weitere Folgebescheinigungen vor, nach denen die Arbeitsunfähigkeit genau bis zum Ende der Kündigungsfrist andauerte. Sein folgendes Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber trat er unmittelbar im Anschluss, an einem Dienstag, an. Die Arbeitgeberin hatte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und leistete für den gesamten Zeitraum keine Entgeltfortzahlung.
Zum Inhalt der Entscheidung
Ein Arbeitnehmer hat im Krankheitsfall gem. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung für einen Zeitraum von sechs Wochen. Seiner Darlegungs- und Beweislast für die Arbeitsunfähigkeit kommt er i.d.R. durch die Vorlage einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach. Mittlerweile wurde der sog. „gelbe Schein“ weitgehend von der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgelöst. Diese hat einen hohen Beweiswert.
Dieser hohe Beweiswert kann erschüttert werden. Bereits im Jahr 2021 urteilte das BAG (08.09.2021 – 5 AZR 149/21), dass im Falle einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die am selben Tag wie die eigene Kündigung eingereicht wird und passgenau den gesamten Zeitraum der Kündigungsfrist abdeckt, deren Beweiswert erschüttert sei. Diese Rechtsprechung setzte das BAG nun fort.
Die Vorinstanz (LAG Niedersachsen, 08.03.2023 – 8 Sa 859/22) gab der Klage auf Entgeltfortzahlung noch statt und begründete dies damit, dass es für eine Erschütterung des Beweiswerts an einem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang fehle. Die Krankmeldung erfolgte vor der Kündigung, daher sei der Arbeitnehmer nicht erst durch Erhalt der Kündigung zur Krankmeldung motiviert.
Das BAG folgte dieser Ansicht nur für die erste Bescheinigung. Für die Erschütterung des Beweiswerts sei es egal, von welcher Partei die Kündigung erklärt worden sei und ob eine oder mehrere Bescheinigungen vorlägen. Für die Zeiträume der Folgebescheinigungen sei der Beweiswert erschüttert und der Kläger trage daher die volle Darlegungslast. Jedoch erfolge immer eine Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls.
Ausblick
Streitigkeiten über den Beweiswert ärztlicher Atteste gibt es immer wieder. Arbeitgeber können bei solchen Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit die Zahlung der Entgeltfortzahlung verweigern. Dies bedeutet aber noch nicht, dass die Zahlung tatsächlich nicht zu leisten ist. Der Arbeitnehmer kann seiner Darlegungs- und Beweislast vor Gericht nachkommen und darlegen, dass er krank war, indem er z.B. seinen Arzt von Schweigepflicht entbindet. Er muss jedoch bei einer solchen im Beweiswert erschütterten Bescheinigung selbst Licht ins Dunkel bringen.
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Meike Schmidt
Rechtsanwältin T +49.40.539 323 180
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