10.07.2019
Grundsatzurteil Teil 2 aus Kassel
Honorarpflegekräfte sind nach BSG grundsätzlich sozialversicherungspflichtig
Sachverhalt
Aufgrund des Fachkräftemangels füllen viele Krankenhausträger die personellen Lücken mit Honorarkräfte auf. Zudem werden zahlreiche Pflegekräfte bewusst als Honorarkräfte tätig, weil sie sich hier bessere Erwerbschancen erhoffen.
Das BSG entschied am 07.06.2019 in mehreren gleich gelagerten Parallelverfahren über den sozialversicherungsrechtlichen Status von Honorarpflegekräften. Im Leitfall (B 12 R 6/18 R) war die Versicherungspflicht der beigeladenen Pflegefachkraft in allen Zweigen der Sozialversicherung in zeitlich beschränkten Einsätzen bei der Pflegeeinrichtung.
Da für die Pflegeeinrichtung keine (weiteren) Fachkräfte zur Festanstellung zu finden waren, bediente sie sich Leiharbeitnehmern und Honorarkräften. Sie schloss daher mit der beigeladenen Honorarpflegefachkraft einen „Dienstleistungsvertrag“ für verschiedene Einsatzzeiten in den Jahren 2012 und 2013.
Die Honorarpflegefachkraft stellte bei der DRV einen Antrag auf Statusfeststellung. Nach Anhörung stellte sie gegenüber den Verfahrensbeteiligten fest, dass die Tätigkeiten in den streitbefangenen Einsatzzeiträumen im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Pflegeeinrichtung ausgeübt wurden und Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung ab dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung bestand.
Entscheidung
Das BSG urteilte am 07.06.2019 (B 12 R 6/18 R), dass Pflegekräfte, die als Honorarpflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen tätig sind, in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbstständige anzusehen sind, sondern als Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht unterliegen.
Weder der Versorgungsauftrag einer stationären Pflegeeinrichtung noch die Regelungen über die Erbringung stationärer Pflegeleistungen nach dem SGB XI oder das Heimrecht des jeweiligen Landes haben eine zwingende übergeordnete Wirkung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status von in stationären Einrichtungen tätigen Pflegefachkräften. Regulatorische Vorgaben seien jedoch bei der Gewichtung der Indizien zur Beurteilung der Versicherungspflicht zu berücksichtigen. Sie führten im Regelfall zur Annahme einer Eingliederung der Pflegefachkräfte in die Organisations- und Weisungsstruktur der stationären Pflegeeinrichtung. Unternehmerische Freiheiten seien bei der konkreten Tätigkeit in einer stationären Pflegeeinrichtung kaum denkbar.
Selbstständigkeit könne nur ausnahmsweise angenommen werden. Hierfür müssten gewichtige Indizien sprechen. Bloße Freiräume bei der Aufgabenerledigung, zum Beispiel ein Auswahlrecht der zu pflegenden Personen oder bei der Reihenfolge der einzelnen Pflegemaßnahmen, reichen hierfür nicht.
Ausgehend davon sei die Honorarpflegefachkraft im Leitfall beim Pflegeheim beschäftigt. Sie habe ihre Arbeitskraft vollständig eingegliedert in einen fremden Betriebsablauf eingesetzt und sei nicht unternehmerisch tätig gewesen.
Bewertung
Pflegekräfte sind in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus geraten. Zum einen prüfte die DRV diese in den Betriebsprüfungen (und kam zum eben vom BSG vertretenen Ergebnis). Zum anderen wurde auch der Zoll aktiv, da das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen strafbar nach § 266a StGB ist.
Auch wenn die Entscheidungsgründe des BSG noch nicht vorliegen und somit die vom Gericht erwähnten Ausnahmen noch nicht ersichtlich sind, kommt die Entscheidung nicht gänzlich überraschend. Im Ergebnis ist spätestens jetzt konsequent sich hiernach auszurichten.
Die Beauftragung von selbstständigen Honorarpflegekräften ist einer Trägereinrichtung nicht zu empfehlen. Vorzugsweise sollten kurzfristig entstehende Personalengpässe mit Arbeitnehmerüberlassungskräfte gefüllt werden. Hier stellt sich die vom BSG aufgeworfene Problematik nicht; wenn auch die Einhaltung der (strengen) regulatorischen Vorgaben der Arbeitnehmerüberlassung einzuhalten sind. Solange diese Option an der Durchsetzung im Markt scheitert, ist auf befristete Arbeitsverhältnisse auszuweichen. Hier bedarf es aber einer kreativen Vertragsgestaltung, um die gesetzlich zulässige Maximalbefristung optimal auszunutzen.
Sollte im Einzelfall die Beauftragung einer selbstständigen Honorarpflegekraft nicht zu vermeiden sind (nicht selten wollen Honorarpflegekräfte gerade nicht abhängig beschäftigt sein), ist dringend ein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen. Bei bereits erfolgten Beschäftigungen in der Vergangenheit sind individuelle Lösungskonzepte zu entwickeln.
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Dr. Konrad Maria Weber
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