10.07.2019
Grundsatzurteil Teil 1 aus Kassel
Honorarärzte sind nach BSG grundsätzlich sozialversicherungspflichtig
Sachverhalt
Aufgrund des Fachkräftemangels füllen viele Krankenhausträger kurzfristig entstehende Personallücken mit Honorarkräfte auf. Diese wollen in aller Regel als Selbstständige auftreten. Sozialversicherungsbeiträge führt der Krankenhausträger dann nicht ab. Das BSG entschied am 04.06.2019 in mehreren gleich gelagerten Parallelverfahren zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Honorarärzten.
Entschieden wurde über 13 Sachverhalte, insbesondere über eine Anästhesistin, die Regel- und Bereitschaftsdienste übernahm, über einen Arzt in einer Rehaklinik, der Wochenenddienste übernahm und über einen Psychologen, der in einer Privatklinik Dienste übernahm,
Entscheidung
Das BSG urteilte am 04.06.2019 (B 12 R 11/18 R), dass die ärztliche Tätigkeit nicht per se als Dienst „höherer Art“ von der Sozialversicherungspflicht ausgeschlossen ist. Entscheidend sei, ob der betroffene Honorararzt weisungsgebunden bzw. in die Arbeitsorganisation eingegliedert sei. Letzteres sei bei Ärzten in einem Krankenhaus regelmäßig aufgrund des hohen Organisationsgrades gegeben und der Honorararzt habe auf diesen keinen eigenen, unternehmerischen Einfluss.
Bei Honorarärzten besteht häufig kein ausschlaggebender Unterschied zu angestellten Ärzten. Unternehmerische Entscheidungsspielräume sind bei einer Tätigkeit als Honorararzt im Krankenhaus regelmäßig nicht gegeben. Die Honorarhöhe ist nur eines von vielen zu würdigenden Kriterien. Honorarärzte sind in der Regel Teil eines Teams, das arbeitsteilig unter der Leitung eines Verantwortlichen (Operateur, Chefarzt) zusammenarbeiten muss. Zudem nutzen Honorarärzte ganz überwiegend personelle und sachliche Ressourcen des Krankenhauses und sind in den Betriebsablauf eingegliedert.
Bewertung
Schon seit mehreren Jahren prüft die Deutsche Rentenversicherung Bund verstärkt Honorarkräfte. In Bescheiden zur Betriebsprüfungen können teils hohe Nachzahlungen die Folge sein, die zudem auch strafrechtlich relevant sind. Es gab bereits mehrere Durchsuchungen durch den Zoll, der zuständigen Behörde bei Scheinselbstständigkeit.
Nun hat das BSG in der Diskussion einen vorläufigen Schlusspunkt gesetzt. Honorarärzte müssen als grundsätzlich sozialversicherungspflichtig angesehen werden. Zwar mag es wohl in sehr eng umgrenzten Fällen Ausnahmen geben, wo genau lässt sich erst nach Veröffentlichung der Entscheidungsgründe ermitteln.
Die Entscheidung trifft (nur) die klassischen Honorarärzte, also diejenigen Ärzte, die personelle Lücken in den Krankenhäusern durch Übernahme einzelner Dienste / Tätigkeiten füllen. Diese Honorarärzte sollten künftig nicht mehr auf selbstständiger Basis beschäftigt werden. Die eine Alternative liegt in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Hier ist die Sozialversicherungspflicht unproblematisch, Nachteil ist aber die nur eingeschränkt mögliche Vereinbarung einer wirksamen Befristung nach § 14 TzBfG. Hier bedarf es einer kreativen Vertragsgestaltung, um den gesetzlich vorgesehenen Handlungsspielraum maximal auszunutzen. Die andere Alternative liegt in der Arbeitnehmerüberlassung. Auch hier ist die Sozialversicherungspflicht unproblematisch (beim Verleiher). Nachteil ist aber die geringe Verbreitung im Markt, die aber ggf. aufgrund dieses Urteils sich in Zukunft ändern wird. Ferner müssen alle strengen Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eingehalten werden.
Nicht Gegenstand des Urteils sind alle gesetzlich vorgesehenen Kooperationen zwischen Krankenhäusern und (niedergelassenen) Ärzten, wie z.B. Belegärzte. Auch Konsiliarärzte können weiterhin auf selbstständiger Basis tätig werden. Bei all diesen Kooperationsmodellen ist aber eine sehr präzise Vertragsgestaltung dringend anzuraten. Zudem ist auch die tatsächliche Umsetzung der Kooperation zu prüfen, denn diese ist im Zweifelsfall entscheidend.
Sofern es die geringsten Zweifel gibt, sollte zur Klärung ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV eingeleitet werden. In diesem wird verbindlich über die Versicherungspflicht entschieden. Die Sachverhalte sollten nicht zuletzt auch wegen der strafrechtlichen Relevanz zügig geklärt werden.
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Dr. Konrad Maria Weber
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