25.10.2024
Weitreichende Grundsatzentscheidung: BGH verurteilt erstmals eine kommunale Zusatzversorgungskasse zur Erstattung von Sanierungsgeldern an Arbeitgeber
Am 02.10.2024 erging die erste Entscheidung des BGH zu Sanierungsgeldern kommunaler Zusatzversorgungseinrichtungen (IV ZR 37/23). Die ZVK wurde zur Erstattung von im Jahr 2012 geforderten Sanierungsgeld verurteilt.
Sachverhalt
Eine Vielzahl an Arbeitgebern gewährt ihren Beschäftigten eine zusätzliche Altersversorgung auf Basis des öffentlichen Tarifrechts. Zu diesem Zweck sind sie Mitglied einer Zusatzversorgungskasse.
Die kommunalen Zusatzversorgungskassen (auch „ZVK“), finanzieren sich im Umlageverfahren. Zudem sind sie unter Wahrung bestimmter Voraussetzungen zur Erhebung von zweckgebundenem „Sanierungsgeld“ berechtigt. Dieses darf ausschließlich zur Ausfinanzierung solcher Ansprüche von Beschäftigten erhoben werden, die vor dem 31.12.2001 entstanden waren und zu deren Finanzierung die Umlage 2001 (Höhe der Umlage im Jahr 2001) nicht ausreicht.
Die betroffene ZVK hatte im Jahr 2012 das erhobene Sanierungsgeld nachweislich zum Vermögensaufbau verwendet. Dies geschah, indem ein Gesamtfinanzierungsbedarf über einen Deckungsabschnitt von 100 Jahren ermittelt wurde, dessen nicht über die Umlage 2001 gedeckter Teil über Sanierungsgelder finanziert wurde.
Das klagende Mitglied beanstandete diese Vorgehensweise als zweckwidrig, da es auf diese Weise zu einer überhöhten Erhebung von Sanierungsgeld komme. Auch stehe die Satzung der ZVK einer solchen Vorgehensweise entgegen, da sie eine Prognose des Finanzierungsbedarfs aus den Altverbindlichkeiten auf das Ende des Deckungsabschnitts verlange.
Zum Inhalt der Entscheidung
Der BGH bestätigte im Ergebnis die Entscheidung der beiden Vorinstanzen (LG Münster und OLG Hamm) und sah in der Berechnungsmethode zur Ermittlung des Sanierungsgeldbedarfs einen Verstoß gegen die eigenen satzungsmäßigen Vorgaben der ZVK. In der Folge war die Leistungsbestimmung unbillig i.S.d. § 315 BGB, die ZVK wurde zur vollständigen Rückzahlung verurteilt. Eine Neufestsetzung durch das Gericht konnte nicht erfolgen, da dies bei komplexen Versorgungssystemen mit kollektiver Wirkung nicht möglich ist. Zu weiteren Angriffspunkten, wie insbesondere der grundsätzlichen Zulässigkeit eines 100-jährigen Deckungsabschnitts als Berechnungsbasis für Sanierungsgelder und der Zulässigkeit der Einbeziehung von 100% der verfallbaren Anwartschaften, äußerte sich der BGH nicht.
Für den Beginn der dreijährigen Verjährung stellte der BGH nicht auf das Jahr der Zahlung, sondern auf das Jahr der Abrechnung im Folgejahr ab. Erst dann sei dem Mitglied bekannt, in welcher Höhe die Beiträge als Sanierungsgelder erhoben worden seien.
Ausblick
Die Entscheidung ist auf alle kommunalen ZVKen übertragbar, die auf Basis einer inhaltsgleichen Satzungsbestimmung Sanierungsgelder erhoben haben. Dies war bei einer Vielzahl kommunaler ZVKen bis zu den Jahren 2016/2017 der Fall. Die Mitglieder, die sich ihre Ansprüche über Verjährungseinredeverzichte gesichert haben, können diese nun zurückfordern. Dass die ZVKen insoweit von ihrem Recht zur Neufestsetzung (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB) Gebrauch machen, halten wir angesichts der dann erforderlichen rückwirkenden Berechnung nicht nur des Sanierungsgeldbedarfs, sondern auch des Gesamtfinanzierungsbedarfs für einen deutlich reduzierten Deckungsabschnitt für unwahrscheinlich.
Die Mitglieder sind daher nun gut beraten, wenn sie ihre möglichen Ansprüche gegen die ZVKen prüfen und durchsetzen lassen.
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Dr. Katja Manzl
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