27.12.2022
Vertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten
Mit dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 04.05.2021 erweitert der Gesetzgeber zum 01.01.2023 das gesetzliche Ehegattenvertretungsrecht um den neuen § 1358 BGB. Dessen Anwendung birgt allerdings für die Behandelnden des vertretenen Ehegatten nicht unerhebliche Unsicherheiten und Risiken, die vorliegend kurz skizziert werden sollen.
Regelungszweck
Mit dem neuen § 1358 BGB führt der Gesetzgeber ein auf sechs Monate begrenztes Recht der Ehegatten auf gegenseitige Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge ein. Das Vertretungsrecht soll den Zeitraum im Anschluss an eine Akutbehandlung nach einem Unfall oder einer schweren Krankheit abdecken bis der andere Ehegatte wieder in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Bereits diese vom Gesetzgeber gewollte Einordnung als „Notvertretung“ hat allerdings nicht Einzug in den Wortlaut des Gesetzes gefunden. Sie ist daher hineinzulesen.
Wesentlicher Vertretungsumfang
Kann ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen, so ist der andere Ehegatte nicht nur befugt, für den Ehegatten einen Behandlungsvertrag in dessen Namen abzuschließen, sondern auch damit zusammenhängende Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen (z.B. Erklärung der Einwilligung), u. a. solange und soweit weder eine Vorsorgevollmacht erteilt oder ein Betreuer bestellt worden ist.
Ärztliche Verantwortung
Bei der Beurteilung, ob dem anderen Ehegatten ein Vertretungsrecht zusteht, nimmt der behandelnde Arzt bzw. das aufnehmende Krankenhaus eine zentrale Rolle ein. So hat die Behandlungsseite die Vertretungsbedürftigkeit schriftlich zu bestätigen und sich vom vertretenden Ehegatten bestätigen lassen, dass wegen derselben Bewusstlosigkeit oder Krankheit das Vertretungsrecht nicht bereits ausgeübt worden ist und kein im Gesetz aufgeführter Ausschlussgrund vorliegt.
Haftungsrisiko
Steht dem anderen Ehegatten kein Vertretungsrecht zu, ergibt sich für die Behandlungsseite ein nicht zu unter-schätzendes Risiko einer Haftung wegen einer fehlenden wirksamen Einwilligung z.B. auf Schmerzensgeld. Hierbei wird einerseits zwar zu berücksichtigen sein, dass die Behandlungsseite in der Regel auf die Angaben des anderen Ehegatten wird vertrauen dürfen, es sei denn diese sind erkennbar unschlüssig oder unglaubhaft. Die Behandlungsseite hat hierbei das Zentrale Versorgungsregister einzusehen.
Andererseits muss die Behandlungsseite in eigener Verantwortung prüfen, ob der Ehegatte nicht in der Lage ist, seine Gesundheitsangelegenheiten selbst zu besorgen. Hierbei ist die gesetzgeberische Einordnung als „Notvertretungsrecht“ zu beachten. Die Vertretung wird daher allein im Falle akut eingetretener Beeinträchtigungen statthaft sein, die absolut und vital indizierte Maßnahmen erfordern. § 1358 BGB wird zur Verringerung von Haftungsrisiken restriktiv auszulegen sein.
Ausblick
Ob dem neuen Notvertretungsrecht von Ehegatten in der Praxis im Hinblick auf die bereits bestehende Möglichkeit einer Vorsorgevollmacht tatsächlich eine nennenswerte Bedeutung zukommt, bleibt abzuwarten. Dennoch sollten sich Ärzte und Krankenhäuser auf die neuen Herausforderungen einstellen.
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Alexander Lindemann
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