26.01.2024
Pflegepersonalbemessung auf dem Prüfstand
„Die Pflegepersonallage in Krankenhäusern ist dramatisch.“ Hinter diesem Satz versteckt sich nicht nur der offensichtliche Status, dass das in Krankenhäusern beschäftigte Pflegepersonal immer mehr Patienten zu versorgen hat. Hierunter werden einige Krankenhäuser auch das Gegenteil verstehen: Es wird Pflegepersonal vorgehalten, obwohl dieses nicht benötigt wird. Das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13.12.2023 (L 5 KR 3223/23) bringt insofern eine Entlastung.
Die PpUGV als Bemessungsinstrument
Mit der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) ist ein Instrument in Kraft, das in Krankenhäusern Mindestvorgaben an die pflegerische Personalausstattung festlegt.
Hierzu definiert das Bundesgesundheitsministerium sog. pflegesensitive Bereiche im Krankenhaus. Diese werden pauschal und auf Grundlage der gemäß § 21 KHEntgG übermittelten Daten und bestimmter Indikatoren-DRGs durch das InEK ermittelt.
Grenzziehung durch das LSG BW
Dieser pauschalen Ermittlung hat das LSG Baden-Württemberg nun Grenzen gesetzt.
Die Klägerin, Trägerin eines Plankrankenhauses, machte geltend, dass das InEK bei ihr zu Unrecht den pflegesensitiven Bereich der Neurologie ermittelt habe. Zwar verfüge ihre Klinik über eine neurologische Fachabteilung, jedoch behandle ihre Klinik keine üblichen akutneurologischen Krankheitsbilder. Dies habe zur Folge, dass ein wesentlich geringerer pflegerischer Personaleinsatz erforderlich sei.
Das LSG Baden-Württemberg entschied nun, dass eine pauschalierte, vom jeweiligen Pflegeaufwand unabhängige Festsetzung von Pflegepersonaluntergrenzen gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
Damit sei die Ermittlung pflegesensitiver Bereiche jedenfalls allein auf Grundlage der Vorhaltung einer bestimmten Fachabteilung unzulässig.
Der maßgebliche Pflegeaufwand
Gemäß § 137i Abs. 1 Satz 3 SGB V sind Pflegepersonaluntergrenzen differenziert nach Schweregradgruppen nach dem jeweiligen Pflegeaufwand festzulegen.
Dabei sei gerade notwendig, dass der Zweck des Gesetzes erreicht wird: Die Vermeidung unerwünschter Ereignisse infolge weniger Pflegepersonen, also die Verhinderung von Gesundheitsgefährdungen für die Patienten.
Bewertung
Mit dieser Entscheidung leistet das LSG Baden-Württemberg einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der Krankenhäuser.
Insbesondere für solche Krankenhäuser, deren atypische Versorgungskonzepte bisher nicht hinreichend vom Verordnungsgeber berücksichtigt werden, eröffnen sich Möglichkeiten eines Auswegs aus der Bindung an strikte Personalschlüssel.
Maßgebliche Frage wird jeweils auch hierbei sein, ob der Gesetzeszweck erfüllt werden kann.
Zwar befindet sich derzeit mit der „Pflegepersonalbemessungsverordnung“ (PPBV) ein neues Bemessungsinstrument im Entwurfsstadium. Es kann jedoch bezweifelt werden, dass die PPBV hier vollständig zu einer befriedigenden Lösung des bestehenden Personaldrucks beitragen kann.
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Alexander Lindemann
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