30.03.2016
Erste BAG-Entscheidung zu Betrieblichem Eingliederungsmanagement und Mitbestimmung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) setzte sich in seinem Beschluss vom 22.03.2016 (Az 1 ABR 14/14) erstmals mit dem Umfang des Mitbestimmungsrechts beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement auseinander. Einem von Betriebsräten häufig beanspruchten umfassenden Mitbestimmungsrecht erteilt das BAG erfreulicherweise eine Absage.
Kontext der Entscheidung
Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX mit der zuständigen Interessenvertretung und mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Dieses Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist zwar nicht Voraussetzung einer krankheitsbedingten Kündigung, gleichwohl aber verschlechtern sich die Chancen für den Arbeitgeber erheblich, wenn kein BEM durchgeführt wurde. Im Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitgeber dann darlegen und beweisen, dass und warum der Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist, warum auch eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung ausgeschlossen ist oder der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden kann. Wurde das BEM dagegen durchgeführt, muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, auf welchem Arbeitsplatz er leidensgerecht eingesetzt werden kann (vgl. BAG vom 16.07.2015, Az 2 AZR 15/15; BAG vom 10.12.2009, Az 2 AZR 198/09).
Da das BEM somit eine Vorstufe zu krankheitsbedingten Kündigungen darstellt, versuchen Betriebsräte häufig, das Verfahren möglichst langwierig und kompliziert auszugestalten. Dass ein Mitbestimmungsrecht besteht, war bereits geklärt. Unklar war bislang, in welchem Umfang der Betriebsrat beim BEM mitzubestimmen hat. Die bisherigen Entscheidungen zum BEM (BAG vom 18.08.2009, Az 1 ABR 45/08; BAG vom 13.03.2012, Az 1 ABR 78/10; BAG vom 18.11.2014, Az 1 ABR 22/13) ließen diese Frage offen.
Nun erging erstmals eine höchstrichterliche Entscheidung, in welchem Umfang ein Mitbestimmungsrecht beim BEM besteht.
Inhalt und Bewertung der Entscheidung
Das BAG entschied, dass der Betriebsrat lediglich bei der Aufstellung der Verfahrensgrundsätze mitzubestimmen hat. Zuständig für die Maßnahme selbst bleibt der Arbeitgeber, der mitbestimmungsfrei über die Umsetzung der Maßnahme entscheiden kann.
Das BAG lehnte die Errichtung von sog. Integrationsteams ab. Diese – vom Betriebsrat oft geforderten – paritätisch besetzten Integrationsteams sorgen häufig für eine Verkomplizierung und Verzögerung des BEM und sind auch nicht selten kostenträchtig.
Die Entscheidung des BAG, die bislang nur als Pressemitteilung und noch nicht im Volltext vorliegt, ist zu begrüßen.
Bei Einigungsstellenverfahren ist oft fraglich, welche Regelung spruchfähig ist und was somit eine Betriebspartei notfalls alleine durchsetzen kann. Das BAG weist hier umfangreiche Forderungen des Betriebsrates zurück. Schlanken Betriebsvereinbarungen steht das BAG also nicht im Weg.
Dr. Konrad Maria Weber, Rechtsanwalt
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