28.09.2018

Streikbruchprämie als zulässiges Kampfmittel

Nach dem Bundesarbeitsgericht (14.08.2018 – 1 AZR 287/17) ist ein bestreikter Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer durch Zusage einer Prämie von einer Streikbeteiligung abzuhalten.

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Sachverhalt und Fragestellung

Der Kläger war bei dem beklagten Einzelhandelsunternehmen als Verkäufer vollzeitbeschäftigt. In den Jahren 2015 und 2016 wurde der Betrieb, in dem er eingesetzt ist, an mehreren Tagen bestreikt. Dazu hatte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit dem Ziel aufgerufen, einen Tarifvertrag zur Anerkennung regionaler Einzelhandelstarifverträge zu schließen. Vor Streikbeginn versprach der Arbeitgeber in einem betrieblichen Aushang allen Arbeitnehmern, die sich nicht am Streik beteiligen und ihrer regulären Tätigkeit nachgehen, die Zahlung einer Streikbruchprämie. Diese war zunächst pro Streiktag in Höhe von 200,00 Euro brutto (bei einer Teilzeitbeschäftigung entsprechend anteilig) und in einem zweiten betrieblichen Aushang in Höhe von 100,00 Euro brutto zugesagt.

Der Kläger folgte dem gewerkschaftlichen Streikaufruf und legte an mehreren Tagen die Arbeit nieder. Mit seiner Klage hat er die Zahlung von Prämien – insgesamt 1.200,00 Euro brutto – verlangt und sich hierfür vor allem auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Schließlich ging der Kläger in Revision.

Entscheidung

Die Revision hatte keinen Erfolg. Laut BAG liegt in der Zusage der Prämienzahlung an alle arbeitswilligen Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zwar eine Ungleichbehandlung der streikenden und der nicht streikenden Beschäftigten. Diese sei aber aus arbeitskampfrechtlichen Gründen gerechtfertigt. Der Arbeitgeber habe mit der freiwilligen Sonderleistung betrieblichen Ablaufstörungen begegnen und damit dem Streikdruck entgegenwirken wollen. Vor dem Hintergrund der für beide soziale Gegenspieler geltenden Kampfmittelfreiheit handele es sich um eine grundsätzlich zulässige Maßnahme des Arbeitgebers. Für diese gelte das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Danach sei die ausgelobte Streikbruchprämie – auch soweit sie den Tagesverdienst Streikender um ein Mehrfaches überstieg – nicht unangemessen gewesen.

Hintergrund

Die Streikbruchprämie ist eine aktive Maßnahme zur Streikabwehr. Sie zielt darauf, den Betrieb aufrecht zu erhalten und den Streikaufruf der Gewerkschaft zu konterkarieren. Der Arbeitgeber bietet hierbei allen Arbeitnehmern – egal, ob gewerkschaftlich organisiert oder nicht – während des Streiks eine Sondervergütung dafür an, sich nicht am Streik zu beteiligen.

Zwar war auch vor dem aktuellen Urteil die Streikbruchprämie bereits in der Rechtsprechung als zulässig anerkannt, es herrschte jedoch Ungewissheit über die Höhe einer Streikbruchprämie aufgrund des zwingend zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsprinzips. Das BAG hat jedoch nunmehr festgestellt, dass eine Streikbruchprämie, auch soweit sie den Tagesverdienst Streikender um ein Mehrfaches übersteigt, nicht unangemessen ist.

Ausblick

Durch das aktuelle Urteil des BAG wurden die Grundsätze zur Streikbruchprämie weiter konkretisiert, so dass sie je nach Situation ein attraktives Arbeitskampfmittel des Arbeitgebers darstellen kann. Nicht außer Acht zu lassen ist, dass die Streikbruchprämie während des Arbeitskampfes in Bezug auf den Betriebs- bzw. Personalrat mitbestimmungsfrei ist und damit nicht der zwingenden Mitbestimmung gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 10/11 BetrVG oder den entsprechenden Regelungen der Personalvertretungsgesetze unterliegt. Nach der Rechtsprechung des BAG sind die Beteiligungsrechte des Betriebs- bzw. Personalrates nicht mit dem für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie maßgeblichen Prinzip der Kampfparität vereinbar.

Michael Wübbeke, LL.M., Rechtsanwalt

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