03.11.2017
Lange Kündigungsfristen können das Gegenteil bewirken
Das BAG sieht in besonders langen Kündigungsfristen eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, auch wenn diese für den Arbeitgeber gelten
Sachverhalt und Fragestellung
Seit 2009 war der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber beschäftigt. Mit einer Zusatzvereinbarung vom Juni 2012 wurde zum einen das Bruttomonatsgehalt auf fast das Doppelte erhöht und zudem die Kündigungsfristen sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer auf drei Jahre zum Monatsende verlängert. Bis zum 30.05.2017 sollte das Entgelt nicht weiter erhöht werden.
Nachdem der Arbeitnehmer das Vertrauen zu seinem Arbeitgeber verloren hatte, kündigte er am 27.12.2014 sein Arbeitsverhältnis zum 31.01.2015. Die Arbeitgeberin verklagte den Arbeitnehmer und beantragte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2017 fortbesteht.
Die zu entscheidende Frage war, ob die vertragliche (lange) Kündigungsfrist oder die gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB zur Anwendung kommt.
Entscheidung
Das BAG (26.10.2017 – 6 AZR 158/16) sah die langen Kündigungsfristen wie die Vorinstanzen als unwirksam an.
Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhält, aber wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB, ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Art. 12 Abs. 1 GG zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt. Die Verlängerung der Kündigungsfrist benachteilige im vorliegenden Fall den Arbeitnehmer unangemessen. Sie ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Denn die mit der Zusatzvereinbarung verbundene Gehaltserhöhung hob nicht die Benachteiligung aufgrund der langen Kündigungsfrist auf. Der Arbeitnehmer konnte daher mit der gesetzlichen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis beenden.
Bewertung
Im Anwendungsbereichs eines Tarifvertrages gelten dessen Kündigungsfristen. Deren Verlängerung wäre ohnehin unzulässig. Deshalb betrifft das Urteil außertariflich Angestellte und damit im Wesentlichen Chefärzte. Bei diesen kann der Arbeitgeber versucht sein, zur langen Bindung möglichst lange Kündigungsfristen zu vereinbaren. Das kann, wie der vorliegende Fall zeigt, aber auch das Gegenteil bewirken.
Die Maximalgrenzen sind entweder allgemein bekannt (gleiche Kündigungsfristen für beide, § 626 Abs. 6 BGB) oder eher unüblich (fünfeinhalb Jahren, § 15 Abs. 4 TzBfG).
Bei einer Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen ist aber stets zu prüfen, ob die ggf. lange Kündigungsfrist den Nachteil der beruflichen Einschränkung rechtfertigt. Bei Chefärzten wird es maßgeblich auf seine Verdienstmöglichkeit im Krankenhaus ankommen.
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Dr. Konrad Maria Weber
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