22.11.2024

Die Grenzen des Konzernprivilegs bei Arbeitnehmerüberlassung

Rechtsprechungsänderung zur Reichweite des Konzernprivilegs: Das BAG (12.11.2024 – 9 AZR 13/24) schränkt in einem aktuellen Urteil die Reichweite des Konzernprivilegs ein

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Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Unternehmen 12 Jahre angestellt. Allerdings verrichtete er die vertraglich vereinbarte Tätigkeit seit Beginn des Arbeitsverhältnisses auf dem Werksgelände eines anderen Unternehmens, mit dem seine (Vertrags-)Arbeitgeberin über einen Konzern verbunden war. Er machte geltend, dass zwischen ihm und diesem anderen Unternehmen ein Arbeitsverhältnis bestehe, weil er seit Beschäftigungsbeginn dort eingesetzt worden sei und dies eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung darstelle.

Zum Inhalt der Entscheidung

Das BAG prüfte insb. § 10 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes („AÜG“). Dieser fingiert ein Arbeitsverhältnis zwischen dem überlassenen Arbeitnehmer und dem Entleiher, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Arbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam ist. Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG sind Verträge zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer beim Fehlen der erforderlichen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers unwirksam.

Eine Arbeitnehmerüberlassung liegt nach § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG vor, wenn Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Diese ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG grundsätzlich erlaubnispflichtig.

Das AÜG privilegiert in § 1 Abs. 3 bestimmte Fallgestaltungen. In dem vom BAG zu beurteilenden Verfahren kam insb. das sog. Konzernprivileg aus Nr. 2 in Betracht. Danach ist das AÜG grds. nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird.

Das BAG urteilte, dass das Konzernprivileg nicht einschlägig sei, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt oder beschäftigt wird. Die Konjunktion „und“ sei als Aufzählung der bezeichneten Sachverhalte zu verstehen. Liege einer dieser Sachverhalte vor, greife das Konzernprivileg nicht. Das sei regelmäßig der Fall, wenn der Arbeitnehmer seit Beschäftigungsbeginn über mehrere Jahre hinweg durchgehend als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Dies indiziere eine Einstellung oder Beschäftigung zum Zweck der Überlassung.

Bewertung

 Die Entscheidung mag mit Blick auf den Wortlaut des § 1 Abs. 3 AÜG zunächst überraschen. Die Konjunktion „und“ legt keine Alternativität, sondern eine Kumulation der „Einstellung“ und „Beschäftigung“ zum Zweck der Überlassung nahe. Das BAG stützt sich auf den Willen des Gesetzgebers. Nach diesem kommt es nicht nur auf den Beschäftigungszweck bei Vertragsschluss, sondern auch im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses an.

Die Entscheidung ist für konzernverbundene Unternehmen bedeutsam. Die Konstellationen sollten immer geprüft werden, sei es ob überhaupt eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, aus anderen Gründen das AÜG nicht anwendbar ist oder um die Überlassung zulässig auszugestalten.