24.11.2022
Pflicht zur betrieblichen Arbeitszeiterfassung
Beschluss des BAG vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21 | Pressemitteilung 35/22
Geradezu „beiläufig“ hat das Bundesarbeitsgericht im Rahmen einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit klargestellt, dass Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, ein geeignetes Arbeitszeiterfassungssystem in ihrem Betrieb einzuführen bzw. vorzuhalten. In welcher Form oder in welchem Umfang dies zu erfolgen hat, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen, ist noch unklar, der vollständig abgefasste Beschluss liegt bisher nicht vor.
Sachverhalt
Der Entscheidung lag eine Auseinandersetzung zwischen dem antragstellenden Betriebsrat und zwei Arbeitgeberinnen über die Frage zugrunde, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht.
Das Arbeitsgericht setzte auf Antrag des Betriebsrats eine Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Die Arbeitgeberinnen hingegen rügten deren Zuständigkeit.
Das Arbeitsgericht gab zunächst der Arbeitgeberseite recht: Dem Betriebsrat stehe kein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zu. Das LAG gab der Beschwerde des BR statt, das BAG hob nun die Entscheidung des LAG auf und wies die ursprüngliche Beschwerde des Betriebsrats zurück.
Zum Inhalt der Entscheidung
Das BAG stellte klar, dass ein (ggf. mit Hilfe der Einigungsstelle durchsetzbares) Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung nicht bestehen könne, wenn der Arbeitgeber schon von Gesetzes wegen zur Einführung eines solchen Zeiterfassungssystems verpflichtet sei. Und dies sei vorliegend der Fall. Der Arbeitgeber sei nach § 3 Abs. 1 ArbSchG dazu verpflichtet,
„die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. (….)“.
Weiter heißt es dort (§ 3 Abs. 2 Nr. 1):
„Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereit zu stellen (…).“
Diese Regelung sei gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (14.05.2019 – C-55/18) unionrechtskonform dahingehend auszulegen, dass sie den Arbeitgeber schon jetzt verpflichte, die (täglichen) Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen.
Handlungsbedarf
Klar ist danach also, dass schon jetzt die Verpflichtung besteht, die Arbeitszeiten von Mitarbeiter systematisch zu erfassen und zu diesem Zweck ein geeignetes (und funktionierendes) System vorzuhalten.
Nähere Anhaltspunkte dazu, wie dies zu erfolgen hat und wodurch der Arbeitgeber im Einzelfall den gesetzlichen Erfordernissen Rechnung tragen kann, gibt die Pressemitteilung nicht her – hier bleibt zunächst die Veröffentlichung des vollständig abgefassten Beschlusses abzuwarten.
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Dr. Uta Strothmeyer
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